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GENETIK

DNA im Fokus (4)

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DNA im Fokus - Typisierung

Nutzungsmöglichkeiten in der Kriminalistik

1 Das genetische Phantombild

Neben der Identitätsfeststellung und der Zuordnung von Tatortspuren lassen sich mit der molekulargenetischen Untersuchung der menschlichen DNA nun auch Rückschlüsse über die phänotypischen Merkmalsausprägungen einer Person gewinnen. Dieser Aspekt ist vor allem dann von Bedeutung, wenn an einem Tatort eine biologische Spur aufgefunden wurde, diese aber im Zuge der Ermittlungen (Zeugenbefragung, Abgleich mit der DAD etc.) der einzige Hinweis auf den noch unbekannten möglichen Täter bleibt. In solchen Problemfällen, wo sich die Identitätsfeststellung als schwierig bis unmöglich erweist, offenbart sich der Gedanke an ein so genanntes "genetisches Phantombild&", mit dem man zumindest den Kreis potentieller Spurenleger festlegen könnte.

Phänotypische Merkmale

Mit dem Wissen über das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit oder die Haar- und Augenfarbe ergäben sich hervorragende kriminalistische Ermittlungsansätze, um erste Hinweise auf die Identität zu erhalten. So konnte zum Beispiel im Frühjahr 2003 in den USA ein Serienmörder anhand der DNA-analytischen Bestimmung der Ethnie ermittelt und verhaftet werden. Seit 2001 wurden in der Gegend von Louisiana mehrere Frauen von einer unbekannten Person ermordet, welche an den Tatorten vereinzelt DNA-Spuren zurückgelassen hat. Der Abgleich des erstellten DNA-Profils mit den in der US-amerikanischen DNA-Datenbank gespeicherten DNA-Mustern verlief negativ und anhand von Zeugenaussagen und der statistischen Auswertung fahndete die Polizei nach einer hellhäutigen Person. Erst mit der Beauftragung der Firma  DNAPrintGenomics, die wie zuvor dargestellt ein Verfahren zur Ermittlung der Ehnie entwickelt hat, wurde festgestellt, dass der Täter schwarzafrikanischer Herkunft und somit dunkelhäutig war. Mit dieser neuen Ermittlungsrichtung konnte daraufhin ein Verdächtigenkreis zusammengestellt werden, bei dem dann durch einen klassischen DNA-Vergleich (Tatortspur-Person) der gesuchte Mörder ermittelt werden konnte.

Dieser Fall zeigt, welchen kriminalistischen Wert allein die Kenntnis über die ethnische Zugehörigkeit und die damit grob ableitbaren Körpermerkmale hinsichtlich Hautfarbe, Augenpartie oder Nasenform haben. Würde man diese Information des Weiteren noch mit den Aussagen über Augen- und Haarfarbe und mit den Ergebnissen der Gesichtsmerkmalsbestimmung kombinieren, hätte die Polizei eine nicht zu verachtende Portraitaufnahme des Spurenverursachers zur Hand, welche zudem noch weitaus mehr Objektivität wahren würde als eine gängige Zeugenaussage. Diese sind bekanntlich der fehlerhaften Wahrnehmung des Menschen unterworfen und bergen daher die Gefahr, dass seitens der Polizei in völlig falscher Richtung ermittelt wird.

Dennoch muss hier einschränkend bemerkt werden, dass die genetisch festgelegten Körpermerkmale stets Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Das gegenwärtige äußere Erscheinungsbild entspricht demnach nicht zwingend dem genetischen Phänotyp. Hinzu kommt die Tatsache, dass die betroffenen Personen die Möglichkeit haben, ihr Äußeres beispielsweise durch das Tragen von Kontaktlinsen oder Färben ihrer Kopfhaare zu verändern, was die Fahndung mittels eines genetischen Phantombildes erheblich erschwert bzw. unmöglich macht. In Hinblick auf die Bestimmung der ethnischen Zugehörigkeit muss ferner konstatiert werden, dass die kaukasische Abstammung des Spurenlegers für die Ermittler in einem Land wie Deutschland, wo die Bevölkerung fast ausschließlich dieser ethnischen Hauptgruppe zuzuordnen ist, keinen wertvollen Ermittlungsansatz widerspiegeln würde. Insofern wäre für die Kriminalistik lediglich die Erkenntnis über das Geschlecht als Phänotypmerkmal von praktikabler Bedeutung. Allerdings sollte man die weitere Entwicklung des Verfahrens zur Gesichtsmerkmalsbestimmung von Shriver weiter verfolgen, da sich hieraus ein viel versprechendes Ermittlungsinstrument abzeichnet.

Genetisch bedingte Erbkrankheiten und Krankheitsdispositionen

Parallel zu den Erkenntnissen über das Aussehen, wäre es für die Ermittlungsbehörden ebenso interessant zu wissen, ob die gesuchte Person eventuell an einer bekannten Erbkrankheit leidet oder über etwaige Krankheitsveranlagungen verfügt. Hierbei würden entsprechende Verhaltensweisen des Betroffenen wie die erforderliche Einnahme von bestimmten Medikamenten, regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen oder sonstiger therapeutischer Behandlungen im Rahmen der Täterermittlung berücksichtigt werden. So könnten sowohl die gezielte Befragung von Ärzten und Apothekern als auch systematische Nachfragen bei den Krankenkassen wertvolle Ermittlungsansätze zur Identitätsklärung hervorbringen. Dies macht jedoch nur dann einen Sinn, wenn der Betroffene von seiner Krankheitsdisposition Kenntnis besitzt und dementsprechend gewisse Verhaltensweisen an den Tag legt, die ermittlungstechnisch relevant sind.

2 DNA-Chiptechnologie

Einen noch größeren Handlungsspielraum würde der Einsatz der DNA-Chiptechnologie in der Kriminalistik nach sich ziehen. So hat sich beispielsweise die kalifornische Firma für Biotechnologie Nanogen Inc. mit Sitz in San Diego auf die Entwicklung von Mikrochips spezialisiert, die auf den beschleunigten Nachweis derjenigen DNA-Abschnitte zielt, die zur Identifizierung von Personen dienen. Die Bestrebungen gehen insbesondere dahin, die Herstellung dieser Chips und damit auch das Nachweisverfahren generell kostengünstig zu gestalten, da die herkömmlichen DNA-Analysen aufgrund ihres technischen und zeitlichen Aufwandes noch verhältnismäßig teuer sind. Derzeit wird zudem an einem tragbaren DNA-Analysegerät gearbeitet, bei dem parallel zum DNA-Chip die Software-gestützte DNA-Datenbank CODIS integriert ist. Mit dieser Technik könnten die Ermittler neben einer DNA-Typisierung auch einen Abgleich mit gespeicherten DNA-Profilen direkt am Tatort durchführen, was den Erfolg auf eine schnelle Sachverhaltsaufklärung und Täterergreifung zusätzlich deutlich steigern würde. Für die deutschen Ermittler würde sich dabei allerdings das Problem des Trennungsgebotes aus der StPO ergeben, nach dem die molekulargenetische Untersuchung von Spurenmaterial nicht von der ermittlungsführenden Dienststelle sondern von beauftragten Sachverständigen durchgeführt werden soll. Diese Trennung von Spurensicherung und -auswertung wird als notwendig erachtet, um die Befangenheit der ermittelnden Kriminalbeamten zu unterbinden, eine fachgerechte Auswertung der Spuren zu gewährleisten und damit die Objektivität des DNA-Beweises im Strafverfahren gänzlich zu wahren. Somit müsste geprüft werden, in wie weit der Einsatz von Sachverständigen vor Ort möglich wäre, um dem Trennungsgebot gerecht zu werden.

So überzeugend und hilfreich die kriminalistische Nutzung der aktuellen medizinischen Auswertemöglichkeiten in Bezug auf die DNA-Analyse sein mag, muss in einem weiteren Schritt die rechtliche Zulässigkeit des genetischen Phantombildes zu Fahndungszwecken beleuchtet werden. Hierbei soll geprüft werden, in welcher Art und Weise die neuen Erkenntnisse der Informationserhebung nun in die verfassungsrechtlich geschützten Rechte der betroffenen Person eingreifen.

3 Rechtliche Würdigung des genetischen Phantombildes

Ähnlich wie bei der Erhebung des genetischen Fingerabdrucks käme hier neben der Menschenwürde insbesondere die Betrachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit kommt in diesem Zusammenhang allerdings nicht zur Anwendung, da die molekulargenetischen Untersuchungen ausschließlich an aufgefundenem Spuren-material vorgenommen werden und sich damit kein Eingriff in die körperliche Integrität des Spurenlegers vollzieht.

Unter dem Aspekt, dass die Garantie der Menschenwürde durch die Rechtsfigur des absolut geschützten Kernbereichs der Persönlichkeit mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verknüpft ist, kann auf eine gesonderte Prüfung des Art. 1 Abs. 1 GG verzichtet werden.

Entgegen der Erhebung des genetischen Fingerabdrucks, die ausschließlich aus der Analyse von Mikrosatelliten im nicht kodierenden Bereich der DNA erfolgt, wird im Zusammenhang mit dem genetischen Phantombild auch die nähere Untersuchung der Genstruktur zur Ermittlung von persönlichkeitsbestimmenden Merkmalen herangezogen. Allerdings wäre eine generelle Abgrenzung zwischen kodierenden und nicht kodierenden DNA-Abschnitten im verfassungsrechtlichen Sinne nicht geeignet, da auch die nicht kodierenden Bereiche der DNA persönliche Informationen wie das Geschlecht und die Ethnie enthalten. Es kommt dabei eher darauf an, welchen Informationsgrad die molekulargenetische Offenlegung erreicht, um als Eingriff in den absoluten Kernbereich der Persönlichkeitssphäre gewertet zu werden und somit als unzulässig zu gelten. Die Bestimmung gering individueller Persönlichkeitsinhalte würde demnach diesen innersten Intimbereich eines Menschen nicht verletzen und wäre durch das überwiegende Allgemeininteresse an einer Strafverfolgung und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

Die vollständige Analyse des menschlichen Genoms mit der damit verbundenen Feststellung aller körperlichen und psychischen Eigenschaften würde dagegen zweifellos einer totalen Registrierung des menschlichen Individuums gleichkommen und ein umfassendes Persönlichkeitsprofil manifestieren. Die zwangsweise Enthüllung dieser persönlichen Verhältnisse durch den Staat wäre damit ein Eingriff in den absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung und würde den Einzelnen zu einer Sache herabwürdigen, was mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren wäre.

Bestimmung des Geschlechts und der ethnischen Abstammung und des äußeren Erscheinungsbildes

Fraglich ist, in wie weit die Bestimmung des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit und der äußerlichen Merkmale wie Haar- und Augenfarbe persönliche Informationen über die betroffene Person bekannt gibt.

Hierbei handelt es sich zunächst eindeutig um personenbezogene Merkmale, die die Individualität eines Menschen kennzeichnen und damit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterliegen. Dennoch offenbaren sie keinen höchstpersönlichen Charakter, der als besonders schützenswert gilt. Sowohl das Geschlecht als auch die äußerlichen Körpermerkmale sind allgemeine und frei zugängliche Informationen. In der Regel sind sie für die sich in der Nähe aufhaltenden Personen gut erkennbar. Aus diesem Grund verhalten sich diese molekulargenetisch erhobenen Informationen verfassungsrechtlich nicht anders als Zeugenaussagen oder Aufnahmen von Überwachungskameras. Die Bestimmung dieser Merkmale mittels DNA-Analyse würde zwar einen Eingriff in den Schutzbereich bedeuten, wäre aber aufgrund des geringen persönlichen Informationsgehaltes durchaus mit dem überwiegenden Allgemeininteresse an einer erfolgreichen Straftatenaufklärung gerechtfertigt.

Nachweis von Behinderungen, Krankheiten und Krankheitsdispositionen

Im Gegensatz dazu nimmt die DNA-analytische Bestimmung von Behinderungen, Krankheiten und Krankheitsveranlagungen einen tiefer gehenden Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen vor. Diese besondere Eingriffstiefe begründet sich vor allem darin, welche Bedeutung die Kenntnis über gewisse genetische Defekte und damit verbundene Krankheitsdispositionen für den Betroffenen hat, die im Rahmen einer DNA-Analyse hervorgebracht werden. Wird einem Menschen aufgezeigt, dass bei ihm in näherer Zukunft eine genetisch bedingte Erkrankung ausbricht bzw. die Wahrscheinlichkeit einer solchen besteht, hat dies mitunter gravierende Auswirkungen auf seine weitere Lebens-Führung. Vor allem die psychische Belastung, die mit einer solchen Diagnose einhergeht, ist dabei nicht zu unterschätzen, zumal das Erkennen der genetisch bedingten Veranlagung letztlich noch keine gesicherten Aussagen über den Ausbruch, den Verlauf oder das Ausmaß der Krankheit treffen kann. Allein das Wissen über die Möglichkeit kann schon ernsthafte Verunsicherungen bei dem Betroffenen zur Folge haben, die eventuell sogar in schwerwiegende Depressionen münden. Ferner entsteht bei der Erhebung solch sensibler Daten das zunehmende Risiko, das diese Informationen missbräuchlich verwendet werden. An dieser Stelle sei das sowohl von Kranken- und Lebensversicherungen als auch von Arbeitgebern besondere Interesse an diesen speziellen Informationen zu erwähnen. Erlangen diese Institutionen Kenntnis über eine Erkrankung oder Krankheitsveranlagung, so würde sich dies für den Betroffenen gewiss nachteilig auswirken. Die Versicherungen würden eventuell einen Versicherungsabschluss im Vorfeld generell ablehnen bzw. diesen nur mit einer kostenintensiven Beitragszahlung gewähren, während der Arbeitgeber sich wohlmöglich eine Kündigung vorbehält, der den betroffenen Arbeitnehmer zusätzlich in finanzielle Nöte bringt.

Unter den vorgebrachten Aspekten sollte eine auf die Bestimmung von Gendefekten durchgeführte DNA-Analyse von aufgefundenem Spurenmaterial daher nur dann erfolgen, wenn keine anderen erfolgsversprechenden Ermittlungsansätze bestehen. Außerdem ist in einem solchen Fall besonders zu prüfen, ob die Interessen der Allgemeinheit so sehr überwiegen, dass eine Offenlegung derart persönlicher Daten gerechtfertigt sein würde. In dem Sinne würde dies nur dann in Betracht kommen, wenn die aufzuklärende Straftat besonders schwerwiegend ist, das heißt den Rechtsfrieden in empfindlichem Maße beeinträchtigt, was primär bei Tötungsdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Fall ist. Hier dürfen die Delikte jedoch nicht pauschaliert werden, sondern es bedarf dabei eines speziellen Einzelfalls, bei dem hinsichtlich des hervorgebrachten überwiegenden Gemeinwohls und der Schutzbedürftigkeit des Betroffenen eine besonders strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen hat.

Trotz allem darf eine DNA-analytische Bestimmung der ethnischen Abstammung, der äußeren Merkmale sowie von Krankheiten und Krankheitsveranlagungen nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht durchgeführt werden. Gemäß StPO sind alle molekulargenetischen Untersuchungen der menschlichen DNA unzulässig, die über die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts einer Person hinausgehen.

Aus: Tom Winterfeld: DNA - im Fokus der Kriminalistik VDM Verlag Dr. Müller (gekürzt)
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