Frontpage Frontpage von Welt der Biologie

Übersicht

GESCHICHTE DER BIOLOGIE

Keimtheorie und Bakteriologie (23)

Zum Seitenanfang

Ignaz Philipp Semmelweiß, Joseph Lister, Ilya Ilitch Mechnikow, Robert Koch, Ferdinand Julius Cohn

 

Keimtheorie:

Die dazu notwendige Theorie schuf Pasteur, dessen Interesse an Mikroorganismen von seiner Beschäftigung mit dem Gärunrungsproblem stammte.

Im Jahre 1865 musste die Seidenindustrie in Südfrankreich gewaltige finanzielle Einbußen durch eine Krankheit hinnehmen, welche die Seidenraupen tötete. Man rief wieder einmal Pasteur zu Hilfe. Er gebrauchte sein Mikroskop und fand einen winzigen Parasiten, der die kranken Seidenraupen und ihre Nahrung, die Maulbeerblätter, heimsuchte. Pasteurs Lösung war zwar drastisch, aber doch vernünftig. Alle befallenen Raupen und alles befallene Futter mussten vernichtet werden. Man musste einen neuen Anfang mit gesunden Raupen und reiner Nahrung machen. Das erwies sich als richtig, und die Seidenindustrie wurde so gerettet.

Was für eine ansteckende Krankheit galt, schien Pasteur auch für andere zuzutreffen. Eine Krankheit konnte durch Mikroorganismen verursacht werden. Sie konnte sich dann durch Husten, Niesen oder Küssen, durch Abfälle, durch verunreinigte Nahrungsmittel oder Wasser ausbreiten. In jedem Falle würden die krankheitserregenden Mikroorganismen vom kranken auf den gesunden Menschen übergehen. Insbesondere wäre es der Arzt, der durch seinen zwangsläufigen Kontakt mit den Kranken die Infektion übertragen könnte.

Zu dieser letzten Schlussfolgerung war tatsächlich der ungarische Arzt Ignaz Philipp Semmelweiß (1818 - 65) gekommen. Ohne von der Pasteurschen Theorie Kenntnis zu haben, bemerkte er trotzdem, dass die Sterblichkeitsrate der Frauen an Kindbettfieber in den Wiener Krankenhäusern erschreckend hoch war, während von den Frauen, die mit Hilfe einer Hebamme ohne besondere Vorbildung zu Hause entbanden, nur ein geringer Teil starb. Semmelweiß schien es klar zu sein, dass die Ärzte auf dem Wege vom Sektions- zum Operationsraum irgendwie die Krankheit mitschleppen mussten. Er bestand darauf, dass die Ärzte, bevor sie als Geburtshelfer tätig wurden, sich ihre Hände gründlich wuschen. Immer, wenn er das durchsetzen konnte, sanken die Sterblichkeitsziffern. Die verärgerten Ärzte vertrieben ihn jedoch aus dem Krankenhaus, und die Sterblichkeitsrate stieg wieder. Semmelweiß starb als geschlagener Mann, zu früh; um seinen Sieg zu erleben. (Etwa zur gleichen Zeit führte der amerikanische. Arzt und Dichter Oliver Wendell Holmes (1809-94) in Amerika einen ähnlichen Kampf gegen die unsauberen Hände von Geburtshelfern und handelte sich dafür erhebliche persönliche Beschimpfungen ein.)

Erst nachdem Pasteur seine "Keimtheorie" aufgestellt hatte, änderten sich die Verhältnisse langsam. Es gab jetzt einen Grund, Sauberkeit walten zu lassen, und so sehr sich auch konservative Ärzte gegen diese Neuerung wandten, langsam wurden sie gezwungen sich zu fügen. Während des französisch-preußischen Krieges gelang es Pasteur durchzusetzen, dass die Ärzte ihre Instrumente vor der Benutzung bei verwundeten Soldaten auskochen und ihre Binden mit Dampf behandeln mussten.

In der Zwischenzeit verwandte in England der Chirurg Joseph Lister (1827-1912) seine ganze Kraft darauf, die Chirurgie zu reformieren. Zum Beispiel führte er die "Anästhesie" ein. Bei diesem Vorgang atmete ein Patient ein Gemisch von Äther und Luft ein, fiel dadurch in Schlaf und wurde gegen Schmerzen unempfindlich. So konnten schmerzlos Zähne gezogen und Operationen durchgeführt werden. Verschiedene Männer hatten zu dieser Entdeckung beigetragen. Den Hauptanteil schreibt man jedoch gewöhnlich dem amerikanischen Zahnarzt William Thomas Green Morton zu (1819 - 68). Unter Verwendung eines Ätherrausches gelang es ihm im Jahre 1846 im Massachusett General Hospital einen Patienten von einem Gesichtstumor zu befreien. Diese erfolgreiche Anwendung der "Anästhesie" wurde sehr schnell zu einem festen Bestandteil chirurgischer Praxis. Lister musste jedoch bekümmert feststellen, dass ein Patient auch noch nach einer schmerzlosen und erfolgreichen Operation an einer nachfolgenden Infektion sterben konnte. Als er die Pasteursche Theorie kennerlernte, kam ihm der Gedanke, dass keine Infektion eintreten würde, wenn man die Wunde oder den chirurgischen Einschnitt sterilisierte. Er benutzte als erster Karbolsäure (Phenol) und hatte damit Erfolg. Lister hatte dadurch die "antiseptische Chirurgie" eingeführt.

Allmählich fand man wirkungsvollere Chemikalien für diesen Zweck, die weniger starke Reizungen hervorriefen. Die Chirurgen gingen dazu über, Gummihandschuhe und Gesichtsmasken zu tragen. Von nun an barg die Chirurgie für die Menschheit keine Gefahr mehr. Wenn Pasteurs Keimtheorie nur dies allein vollbracht hätte, würde das schon ausreichen, um sie zur bedeutendsten Einzelentdeckung in der Geschichte der Medizin zu machen. Diese Theorie leistete jedoch noch viel mehr.

Bakterien:

Man konnte nicht erwarten, alle todbringenden Mikroorganismen ein für allemal von allen Menschen fernzuhalten. Früher oder später waren sie Krankheiten ausgesetzt. Was sollte dann geschehen?

Ganz gewiss war der Körper imstande, gegen die Mikroorganismen anzukämpfen, denn er konnte auch ohne Hilfe von Infektionskrankheiten genesen. Im Jahre 1884 sollte der russisch-französische Biologe Ilya Ilitch Mechnikow (1845 - 1916) ein Beispiel für eine solche "antibakterielle Kriegführung" finden. Er konnte zeigen, dass die weißen Blutkörperchen, die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, die Blutgefäße im Bedarfsfall zu verlassen, sich an der Stelle - von Infektionen oder eines Bakterieneinfalls zusammenzogen. Was dann folgte, war einer regelrechten Schlacht zwischen Bakterien und weißen Blutkörperchen sehr ähnlich, bei der die letzteren nicht notwendigerweise immer gewannen, aber oft genug, um sehr viel Gutes zu tun.

Es musste jedoch noch viel feinere antibakterielle Waffen geben. Denn bei vielen Krankheiten bedeutete die Genesung von einem Anfall anschließende Immunität, obgleich keine sichtbaren Veränderungen im Körper gefunden werden konnten. Dafür gab es eine Erklärung, nämlich die, dass der Körper ein gewisses Molekül (einen "Antikörper") entwickelt hatte, das zur Abtötung eines eindringenden Mikroorganismus oder zur Neutralisierung seiner Wirkung benutzt werden konnte. Das würde die Wirkung der Impfung erklären. Der Körper könnte einen Antikörper gegen den Kuhpockenmikroorganismus entwickelt und diesen zur Bekämpfung der sehr ähnlichen Pockenmikroorganismen brauchbar gefunden haben.

Jetzt endlich konnte der Erfolg durch Maßnahmen wiederholt werden, die nicht direkt auf die Überwindung der Krankheit, sondern auf die Bekämpfung der sie verursachenden Mikroorganismen abzielten. Pasteur zeigte dies in Verbindung mit dem Milzbrand, einer tödlichen Krankheit, die Herden von Haustieren verwüstete. Pasteur suchte nach einem Mikroorganismus, der die Krankheit verursachen würde, und fand diesen in einer bestimmten Bakterie. Er erhitzte ein Präparat solcher Bakterien so lange, bis sie nicht mehr fähig waren, die Krankheit zu verursachen. Diese hilflosen "abgeschwächten Bakterien" zwangen den Körper durch ihre bloße Existenz, Antikörper zu entwickeln, die auch gegen die frischen, todbringenden Bakterien benutzt werden konnten.

Im Jahre 1881 führte Pasteur ein höchst dramatisches Experiment durch. Einige Schafe aus einer Herde wurden mit diesen in ihrer Wirkung gedämpften Bakterien geimpft, während der Rest ungeimpft blieb. Nach einiger Zeit wurden alle Schafe den tödlichen Milzbrandbakterien ausgesetzt. Die geimpften Schafe überlebten schadlos die Krankheit, während die anderen befallen wurden und starben.

Ähnliche Methoden wurden von Pasteur zur Bekämpfung der Hühnercholera und am dramatischsten gegen die Tollwut entwickelt, die Krankheit, die durch den Biss eines tollwütigen Hundes verursacht wird. Im Grunde genommen erzeugte er gewissermaßen künstliche Kuhpocken, um Menschen und Tiere gegen eine Vielzahl verschiedenartiger Pocken zu schützen.

Der Erfolg von Pasteurs Keimtheorie erzeugte ein neues starkes Interesse an den Bakterien. Der deutsche Botaniker Ferdinand Julius Cohn (1828 - 98) hatte sich in seiner Jugend besonders mit der mikroskopischen Untersuchung von Pflanzenzellen beschäftigt. Er zeigte zum Beispiel, dass pflanzliches Protoplasma im wesentlichen identisch mit tierischem Protoplasma ist. In den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wandte er sich jedoch den Bakterien zu und veröffentlichte 1872 eine dreibändige Abhandlung über diese kleinen Lebewesen, in welcher der erste systematische Versuch gemacht wurde, sie in Gattungen und Arten zu klassifizieren. Aus diesem Grunde kann man Cohn als Begründer der modernen Bakteriologie betrachten.

Cohns bedeutendste Entdeckung war jedoch die des jungen deutschen Arztes Robert Koch (1843 - 1910). 1876. hatte Koch den Milzbrandbazillus isolieren können und gelernt, ihn zu züchten (wie das auch Pasteur in Frankreich machte). Koch machte Cohn Mitteilung von seiner Arbeit, und der enthusiastische Cohn förderte ihn daraufhin nach Kräften.

Koch lernte, Bakterien auf einem festen Nährboden wie z. B. Gelatine (hierfür nahm man später Agar-Agar, der aus Seetang hergestellt wird) anstatt in Flüssigkeiten zu züchten. Das war ein wesentlicher Unterschied. In einer Flüssigkeit vermengen sich leicht die Bakterien der verschiedensten Arten, und es ist später schwierig festzustellen, welche Art eine bestimmte Krankheit verursacht hat.

Beim Aufstreichen einer Bakterienkultur auf ein festes Medium würde sich eine isolierte Bakterie fortlaufend teilen und auf diese Weise viele neue Zellen bilden, die sich nicht von der Stelle bewegen könnten. Obgleich die ursprüngliche Kultur aus vielen verschiedenen Arten von Bakterien zusammengesetzt sein könnte, müsste die sich an einer bestimmten Stelle, bildende Kolonie eine reine Art darstellen. Wenn sie eine Krankheit erzeugte, bestünde kein Zweifel darüber, welche Art dafür verantwortlich zu machen wäre.

Ursprünglich benutzte Koch als Träger seines Nährbodens eine flache Glasscheibe. Einer seiner Assistenten, Julius Richard Petri (1852 - 1921), nahm statt dessen eine flache Schale, die durch eine Glasscheibe abgedeckt wurde. Solche "Petrischalen" werden seither in der Bakteriologie benutzt.

Indem Koch mit reinen Kulturen arbeitete, konnte er Regeln für die Entdeckung von Mikroorganismen aufstellen, die eine bestimmte Krankheit verursachen. Mit seinen Assistenten entdeckte er viele solche; seine größte Leistung war jedoch die Entdeckung des Tuberkelbazillus im Jahre 1882.

Zum Seitenanfang

Vorarlberger Bildungsserver

 Frontpage Anatomie/Physiologie Botanik Cytologie
Evolution Genetik Humanbiologie Ökologie
Sexualbiologie Zoologie Geschichte Texte, Referate
Sehenswert Kontakt Physik