| Edward Jenner, 18. Jh.Bei der Betrachtung der großen Auseinandersetzungen über Evolution 
        und andere Fragen der Biologie ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass 
        das Interesse der Menschheit an der Biologie als Wissenschaft aus ihrer 
        Beschäftigung mit der Medizin, mit den Krankheiten des Körpers, 
        erwuchs. Wie weit auch immer der Höhenflug der Wissenschaft in das 
        Gebiet der Theorie gehen und wie gelassen sie sich auch gegenüber 
        den Dingen des täglichen Lebens verhalten mag, immer wieder wird 
        sie sich den Krankheiten der Menschen zuwenden müssen. Andererseits ist eine Beschäftigung mit der Theorie weder verwirrend 
        noch unnütz. Denn wenn man, mit den Resultaten der fortschreitenden 
        Theorie bewaffnet, sich mit Problemen der Anwendung beschäftigt, 
        wird man hier schnell vorankommen. Obgleich die angewandte Wissenschaft 
        auch auf rein empirischem Wege, ohne Theorie, Erkenntnisse gewinnen kann, 
        geht dies doch vergleichsweise langsam und unbeholfen vor sich. Als Beispiel hierfür kann man die Geschichte der ansteckenden Krankheiten 
        betrachten. Fast bis zum Anbruch des neunzehnten Jahrhunderts waren die 
        Ärzte im großen und ganzen machtlos gegen die weitverbreiteten 
        und immer wiederkehrenden großen Seuchen und Epidemien. Eine der 
        übelsten Krankheiten, welche die Menschheit peinigte, waren die Pocken. 
        Sie breiteten sich nicht nur mit Windeseile aus und töteten jeden 
        dritten, sondern machten auch die Überlebenden wegen der entstellenden 
        Narben unglücklich.  Das einmalige Durchstehen der Pockenkrankheit machte jedoch gegen weitere 
        Ansteckungen immun. Aus diesem Grunde war ein leichter Pockenfall ohne 
        Vernarbungen bei weitem besser als keiner. Im ersten Fall war man ein 
        für allemal sicher vor dieser Krankheit, im zweiten stand man immer 
        unter ihrer Bedrohung. In solchen Ländern wie der Türkei und 
        China gab es konsequente Versuche, sich selbst von leichten Fällen 
        anstecken zu lassen. Es gab sogar ganz bewusste Impfungen mit dem Eiter 
        der Pusteln von leichten Fällen. Das war jedoch ein Risiko, denn 
        manchmal führte die so erfolgte Ansteckung im neuen Wirt zu einem 
        heftigen Verlauf der Krankheit. Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wurde eine solche Impfung in England 
        eingeführt, allerdings ohne populär zu werden. Die Sache lag 
        jedoch in der Luft und wurde diskutiert. Der englische Arzt Edward 
        Jenner (1749 - 1823) nahm sich ihrer an. In seiner Grafschaft Gloucestershire 
        erzählte man sich, dass jemand, der die Kuhpocken gehabt habe (eine 
        leicht verlaufende Rinderkrankheit, die den Pocken in gewisser Weise ähnlich 
        ist), danach nicht nur gegen Kuhpocken, sondern auch gegen Pocken immun 
        wäre. Nach langer und sorgfältiger Beobachtung entschloss sich Jenner, 
        dies zu untersuchen.  Am 14. Mai 1786 fand er ein Milchmädchen, welches die Kuhpocken 
        hatte. Er nahm die Flüssigkeit von einer Pustel ihrer Haut und injizierte 
        sie einem Jungen, der natürlich daraufhin seinerseits die Kuhpocken 
        bekam. Zwei Monate später impfte er den Jungen noch einmal, diesmal 
        aber nicht mit Kuhpocken, sondern mit Pocken. Die Krankheit befiel den 
        Jungen nicht.  Im Jahre 1798, nachdem er das Experiment wiederholt hatte, veröffentlichte 
        er seine Ergebnisse. Er prägte das Wort "Vaccination", um die Technik 
        zu beschreiben. Es stammt von dem lateinischen Wort "vaccinia" für 
        Kuhpocken, welches wiederum vom lateinischen Wort für Kuh "vacca" 
        abgeleitet ist. So groß war die Angst vor den Pocken, dass ein Fortschritt in der 
        Sache sofort begeistert aufgenommen und fast ohne Misstrauen akzeptiert 
        wurde. Die Impfungen breiteten sich wie ein Lauffeuer über ganz Europa 
        aus, und die Krankheit wurde so besiegt. Die Pocken sind seit dieser Zeit 
        niemals wieder ein ernsthaftes Problem in den auf medizinischem Gebiet 
        fortschrittlichen Ländern gewesen. Es war die erste ernsthafte Krankheit 
        in der Geschichte der Menschheit, die so schnell und vollständig 
        unter Kontrolle gebracht wurde. Aber dieser Fortschritt konnte ohne die dazugehörige Theorie nicht 
        weiter ausgebaut werden. Niemand wusste damals etwas über die Ursachen 
        ansteckender Krankheiten. Das zufällige Vorhandensein einer leicht 
        verlaufenden Abart der Hauptkrankheit, die zum Zwecke der Impfung benutzt 
        werden konnte, sollte sich nicht wieder ergeben. Die Biologen mussten 
        einfach lernen, ihre eigenen leichten Versionen einer Krankheit zu erzeugen, 
        und das erforderte mehr Kenntnisse, als sie zur Zeit Jenners besaßen. |