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EVOLUTION

Der Kreationismus ist eine Sonderform der Pseudowissenschaften

Kreationistische links:

http://www.csama.org/
http://www.sixdaycreation.com/
http://www.christiananswers.net/creation/
Eine bekannte deutschsprachige Kreationistenseite ist www.wort-und-wissen.de

Kreationismusmuseum Santee

Die islamische Variante des Kreationismus
(http://www.evolutionsschwindel.com/)

Michael Presch: Entwicklung contra Bibel (Word-Datei)

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Christliche ("evangelikale") Fundamentalisten in Amerika kämpfen gegen naturwissenschaftliche Theorien, die ihrer Meinung nach den Worten der Bibel widersprechen. Kritisiert werden beispielsweise die Urknalltheorie im Physik- und die Evolutionstheorie im Biologieunterricht.

Solche "materialistische Irrlehren" sind laut Tom DeLay, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, die Ursache für die Schießereien an amerikanischen Schulen. Die Gotteskrieger feierten zeitweise kleineTriumphe: Im US-Bundestaat Kansas beschloss die Schulbehörde 1999, dass die Evolutionstheorie an den Schulen nicht mehr verpflichtend gelehrt werden müsse. Bemerkenswert ist die schlichte Begründung: "Niemand war bei der Entstehung des Lebens auf Erden anwesend. Deshalb sollte jede Aussage über den Ursprung des Lebens nur als Theorie, nicht als Tatsache bedacht werden". In der Zwischenzeit sind die Angriffe der Kreationisten häufiger und härter geworden. In den USA soll ihrem Willen nach offenbar ein christlicher Gottesstaat entstehen, in dem gottlose Wissenschaften nichts verloren haben.

Biologielehrer werden in Europa manchmal unvorbereitet mit kreationistischen Ideen aus den USA konfrontiert und sind gegen die mit großer Überzeugungskraft vorgebrachten "Theorien" manchmal machtlos, weil auf den Universitäten esoterische Lehren aus verständlichen Gründen nicht vermittelt werden. Tatsächlich ist der Kreationismus in den Wissenschaften kein Thema.
Kein Chemielehrer diskutiert - über Atome, kein professioneller Physiker diskutiert über Lichtquanten, und kein professioneller Biologe diskutiert über die Evolution, weil es sich um längst anerkannte Tatsachen handelt. Kein Chemiker lässt sich auch als "atomgläubiger Daltonist", kein Physiker als "photonengläubiger Einsteinist" beschimpfen. Nur Biologen müssen sich seit Jahren gefallen lassen, von mitunter fanatischen Kreationisten als "evolutionsgläubige Darwinisten" verunglimpft zu werden.

Es spielt dabei keine Rolle, dass es auch unter den Kreationisten Professoren gibt. Ein Titel schützt weder vor Torheit noch vor Wahnvorstellungen. Es war beispielsweise ein österreichischer Universitätsprofessor, der 1999 den kurz bevorstehenden Weltuntergang vorausgesagt hatte. In den Wissenschaften zählen überprüfbare Theorien, und genau diese werden von den Kreationisten mangels an Wissen und mangels an Vorstellungskraft bestritten.

Die folgende Zusammenfassung bringt die wichtigsten Aussagen des Kreationismus samt Gegenargumenten.


x-kreat01.gif Der Kreationismus (nach lat.: 'creare' = erschaffen) ist im wesentlichen eine fundamentalistisch-orthodoxe Denkrichtung, die sich der allzu wörtlichen Auslegung der Bibel verschrieben hat. Die Bibel wird gewissermaßen in ein Biologie- und Physikbuch umfunktioniert. Die historisch-geistigen Grundlagen des Kreationismus finden sich in der Naturtheologie der letzten drei Jahrhunderte. Den Kern dieser Ideologie bildet die strikte Ablehnung der wesentlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung der Erde und der uns bekannten Lebensformen.

Kreationisten sind schwer einzuordnen, sie bilden keine Sekte im religiösen Sinn. Da es grundsätzlich bedenklich ist, von einer "wissenschaftlichen Sekte" zu sprechen, trifft am ehesten die Bezeichnungen "pseudowissenschaftliche Sondergruppe" zu.
Zu beachten ist in jedem Falle, dass eine Ablehnung kreationistischer Thesen nicht mit Religionskritik gleichzusetzen ist. Solange eine Religion sich als Glaubenssystem versteht, kann sie mit den Wissenschaften friedlich koexistieren. Wenn aber der Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhoben wird, muss man sich dem wissenschaftlichen Streit stellen.

Dass die Kreationisten abseits stehen, wird durch ihre (manchmal) aggressiv-radikalen Parolen gegenüber gängigen naturwissenschaftlichen Theorien und deren Vertreter unterstrichen. In der Folge seien ein paar kreationistische Argumente aufgelistet, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Es geht lediglich um die Darstellung größerer Irrtümer.

(1)Geologische Argumente:

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James Ussher, Erzbischof von Irland, hatte im Jahre 1650 anhand der Bibel das Entstehungsdatum der Erde berechnet. Nach Ussher wurde die Erde etwa im Jahre 4004 v. Chr. erschaffen. Die heutigen Kreationisten sind etwas großzügiger, allerdings sind sie der Überzeugung, dass die Erde und das Weltall allerhöchstens einige zehntausend Jahre alt sein können, wobei einem Alter von rund 10.000 Jahren der Vorzug gegeben wird. Diese Hypothese steht im Widerspruch zum anerkannten Alter der Erde von ca. 4,5 Milliarden Jahren. Da sich die Kreationisten auf "wissenschaftliche" Erkenntnisse berufen, müssen sie diese auch präsentieren. Eines ihrer Argumente basiert auf der Seltenheit des Elements Helium in der Atmosphäre. Bekanntlich entstehen beim radioaktiven Alfa-Zerfall Helium-Atomkerne. Aufgrund der geringen atmosphärischen Heliummenge kann dieser Zerfall erst seit etwa 10.000 Jahren abgelaufen sein. Somit - so die kreationistische Schlussfolgerung - könne die Erde nur 10.000 Jahre alt sein. Das Argument gründet, wie fast alle kreationistischen Behauptungen, auf einem Irrtum. Heliumatome sind nämlich viel zu leicht um von der Gravitationskraft der Erde gehalten werden zu können. Es entweicht ständig ins Weltall, womit die geringe Helimmenge eine einfache Erklärung findet.

Eine bekannte Methode der Altersbestimmung ist die Radiometrie. Sie beruht auf der Kenntnis des radioaktiven Zerfalls verschiedener Radionuklide (Elemente). Ist die Zerfallsrate bekannt, was meist der Fall ist, dann kann anhand der relativen Mengen der gefundenen Nuklide abgelesen werden, wie lange der Prozess schon dauert. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass man inzwischen verschiedene "Zerfallsuhren" kennt, die man gegenseitig justieren und eichen kann. Logischerweise werden diese Methoden von Kreationisten abgelehnt und als höchst ungenau bezeichnet. Dabei ist die ganze Geschichte leicht und sofort erkennbar: 64 Nuklide haben eine Halbwertszeit von über 1000 Jahren. Bei 47 von ihnen liegt die Halbwertszeit zwischen 1000 bis 50 Millionen Jahren. Im Vergleich zum Alter der Erde sind sie also "kurzlebig". 7 Nuklide (wie z.B. das bekannte C-14) müssen bei der folgenden Überlegung ausgeschlossen werden, da sie durch kosmische Strahlen nachweisbar neu gebildet werden. Es verbleiben also 40 relativ kurzlebige Nuklide. Man nehme nun an, dass die Erde tatsächlich 10.000 Jahre alt sei. Dann müsste man doch bedeutsame Mengen von diesen 40 Nukliden finden. Tatsächlich findet man in der Natur kein einziges von ihnen. Hingegen gibt es 17 Isotope mit einer Halbwertszeit von weit mehr als 50 Millionen Jahren, diese findet man in der Natur sehr wohl. Damit ist das kreationistische Behauptung obsolet geworden.

(2) Paläontologische Argumente:

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Die Paläontologie ist die Lehre von den fossilen (versteinerten) Lebewesen. Sie spielt beim Nachweis der Evolution der Lebewesen eine tragende Rolle. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die Kreationisten dieser Wissenschaft mit besonderer Leidenschaft widmen. Eines der beliebtesten Argumente betrifft die sogenannten "Übergangsformen". Dies sind Lebewesen, die in ihrem äußeren und inneren Bau sozusagen zwischen den großen Tier- und Pflanzengruppen liegen. Es gebe keine Übergangsformen zwischen Stämmen, Ordnungen, Familien und anderen Ordnungskriterien der Biologie, behaupten die Kreationisten. In der Zwischenzeit haben die Biologen weit über tausend Übergangsformen (früher als "missing link" bezeichnet) gefunden. Man braucht gar nicht den berühmten Fall des Urvogels "Archäopteryx" zu bemühen, der sowohl Reptilien- als auch Vogelmerkmale zeigt. Auch der Quastenflosser, die Brückenechse oder 'Neopilina galatea' (Ein Bindeglied zwischen Weichtieren und Ringelwürmern) und unzählige andere Beispiele sind eindeutige Beweise dafür, dass es fließende Übergänge zwischen den großen Tier- und Pflanzengruppierungen gibt.

Vor vielen Jahren sorgte eine Entdeckung in Sedimenten des Paluxy-River in Texas für Aufregung. x-kreat05.jpgAngeblich hatte man Saurier-Fußabdrücke neben menschlichen Fußabdrücken identifiziert. Die Kreationisten sahen dadurch den Beweis erbracht, dass Menschen und Saurier eine Zeitlang nebeneinander gelebt haben. Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass man die Fußabdrücke eines kleinen Sauriers mit menschlichen Abdrücken verwechselt hatte. Zu allem Überdruss entdeckte ein amerikanischer Paläontologe, dass einige der Abdrücke mit Hammer und Meißel verfälscht worden waren. Obwohl der Paluxy-Irrtum inklusive versuchtem Betrug bereits 1981 (!) aufgedeckt worden war, tauchte diese groteske Geschichte manchmal noch als "Beweis" in diversen kreationistischen Publikationen auf. Zur Situation: Die Saurier sind vor rund 65 Millionen Jahren ausgestorben, die ersten Wesen, die man als primitive Mensch-Vorfahren bezeichnen kann, tauchten vor rund 4 Millionen Jahren auf.

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(3) Die Evolution des Menschen:

Kreationisten werfen den "materialistischen Evolutionisten" manchmal vor, nur über mangelhafte menschliche Fossilfunde zu verfügen, aus denen jedenfalls keine Evolution des Menschen abgelesen werden kann. Diese Vorwürfe entbehren jeder Grundlage. Allein in den letzten Jahrzehnten wurden Unmengen fossiler menschlicher Reste gefunden, die ein immer besseres Bild der menschlichen Evolution zeichnen. Charles Darwin Das ficht die Kreationisten natürlich nicht an. Gerne zitieren sie den großen Biologen Charles Darwin, der vor über 150 Jahren in wissenschaftlicher Redlichkeit behauptet hatte, dass die Wissenschaft nur über wenige Belege verfüge. Dies stimmte im 19. Jahrhundert, heute ist die Situation anders.

Den Biologen ist die Eigenständigkeit der Spezies Mensch sehr wohl geläufig. Trotzdem kann nicht übersehen werden, dass wir alle tierische Reste mit uns herumtragen, angefangen von den Geweben (Epithelien, Muskeln, Bindegewebe und Nerven) bis zu den Chromosomen. So hat beispielsweise der Mensch die gleiche Chromosomenstruktur wie der Schimpanse. Das überzählige Schimpansenchromosom beim Schimpansen (2n = 48, n = 24) führte durch eine Fusion zum menschlichen Chromosomensatz (2n = 46, n = 23). Den vorläufigen Schlusspunkt setzte die Entschlüsselung des Schimpansengenoms im Jahr 2005. Es zeigte sich, dass der Schimpanse dem Menschen noch weit näher steht als lange Zeit vermutet. Insgesamt sind die wissenschaftlichen Belege für die Verwandtschaft des Menschen mit dem Tierreich überwältigend.

Detail am Rande: Die nicht enden wollende Versuche der Kreationisten, Darwin zu widerlegen, sind verräterisch. Die moderne Evolutionstheorie basiert längst nicht mehr ausschließlich auf Darwins Schriften sondern seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwerpunktartig auf den Erkenntnissen der modernen Genetik. Dies wird bei den Kreationisten, wenn überhaupt, kaum erwähnt. Dieses Detail zeigt, dass die Kreationisten die Entwicklung der letzten Jahrzehnte entweder verschlafen haben oder bewusst ignorieren.

(4) Die Entstehung neuer Arten:

A. E. Wilder-Smith, einer der publizierenden Kreationisten schrieb in seinem Buch "Grundlagen zu einer neuen Biologie" u.a.: "Weder durch natürliche noch durch künstliche Auslese im Laboratorium hat man je eine wirklich neue Spezies hervorzüchten können." Dieser Satz mag 1974, als das Buch erstmals erschien, gestimmt haben. Tatsächlich war es sehr schwierig, die Entstehung neuer Arten zu beobachten, doch inzwischen ist dies grundsätzlich möglich.

Zunächst ist eine Definition des Artbegriffes wichtig: Unter einer Art versteht man heute eine Gruppe von Lebewesen, die gemeinsam fruchtbare Nachkommen zeugen können. Kurz gesagt, eine Art ist eine Fortpflanzungsgemeinschaft mit einem gemeinsamen Genpool. Morphologische Kriterien können allein nicht mehr berücksichtigt werden, seit man weiß, dass die Vielgestaltigkeit (Formen, Varianten, Rassen) innerhalb einer Art sehr groß sein kann. Das hat auch Darwin schon richtig erkannt. Man kennt in der Biologie so genannte Geschwisterarten. Dabei handelt es sich um Arten, die man morphologisch nicht, genetisch aber sehr gut trennen kann. Es ist nun - entgegen der Behauptungen der Kreationisten - sowohl im Labor gelungen, neue Arten zu erzeugen, als auch die Entstehung neuer Arten in der Natur zu beobachten.

Erfolge erzielte man beim bekannten 'Haustier' der Genetiker, der Fruchtfliege "Drosophila." Im Labor kann man beispielsweise Chromosomen durch Röntgenbestrahlung brechen und irregulär zusammenkleben, was zu einer Kreuzungsbarriere mit der Ursprungsart führt. Das ist zwar nicht einfach zu konstruieren, aber es ist möglich. Die künstliche Art "Drosophila melanogaster", Compound-III, b, bw, ch war so ein Fall. (Der Autor hat mit dieser Art am Institut Genetik der Universität Tübingen selbst experimentiert. Möglicherweise existiert der Stamm Compound-III heute nicht mehr). 'Drosophila melanogaster' bezeichnet dabei die natürliche Ursprungsart, 'Compound-III' weist auf ein irregulär zusammengesetztes Chromosom hin, was eine Kreuzungsbarriere zur Ursprungsart bedeutet (= neue Art) und b (black), bw (brown), ch (chubby) stehen für 3 phänotypisch sichtbare Mutationen. Bei der Artengruppe 'Drosophila paulistorum' und anderen Artengruppen kann und konnte man außerdem die Entstehung neuer Arten in der Natur direkt beobachten.

Die Behauptung der Kreationisten, seit der Schöpfung seien keine neuen Arten entstanden und die Natur bringe auch heute keine neuen Arten mehr hervor, ist erwiesenermaßen falsch. (Man kann nicht oft genug auf diesen Irrtum hinweisen, da es längst möglich ist, die Entstehung neuer Arten in der Natur zu beobachten).

Grundsätzliche Anmerkungen:

Bei aller Kritik am Kreationismus muss festgehalten werden, dass es sich hier nicht um eine Religionskritik handelt. Religionen sollen nicht von Seiten der Wissenschaften kritisiert werden, solange sie nicht die Deutungshoheit über die Wissenschaften für sich reklamieren. Eine Kritik setzt erst dann ein, wenn religiöse Aussagen in unzulässiger Weise mit Wissenschaften vermischt werden oder wenn versucht wird, mit Hilfe religiöser Überzeugungen und Aussagen wissenschaftlich erhärtete Theorien auszuhebeln. Die Kritik am Kreationismus findet daher auf der wissenschaftlichen Ebene statt.

Die sogenannte "Creation Science" kann schon deshalb keine Wissenschaft sein, weil sie innere Widersprüche enthält. In einem amerikanischen kreationistischen Lehrbuch wird z.B. behauptet, dass der Kreationismus auf strengster wissenschaftlicher Redlichkeit beruhe, alle Erkenntnisse stammten angeblich aus wissenschaftlichen Entdeckungen und Analysen. (Diese Behauptung hat etwas mit der strikten Trennung von Kirche und Staat in den USA zu tun. Ohne Anspruch auf Wissenschaftlichkeit dürfte der Kreationismus an den Schulen nicht unterrichtet werden). Ein paar Seiten später wird indes beteuert, dass man den Schöpfungsprozess und die Entstehung des Lebens wissenschaftlich nicht beschreiben könne, weil "der Schöpfer nicht nach den Launen der Wissenschaft gewirkt" habe. (H. M. Morris: "Scientific Creationism", San Diego 1974).

Die zentrale widersprüchliche kreationistische Aussage lautet:
Es gibt zwar die Materie mit ihren Wechselwirkungen, die für die unendliche Vielfalt der Dinge verantwortlich ist, die Erschaffung der Welt und des Lebens spielte sich aber außerhalb der beobachtbaren Naturgesetze ab.
Nun steht es den Kreationisten frei, dies zu behaupten, aber sie vollziehen einen Umkehrschluss, der da sinngemäß lautet: "Wer behauptet, die Entstehung der Erde und des Lebens könne wissenschaftlich nachvollzogen werden, ist ein gottloser Mensch."

Hier zeigt sich der zentrale Irrtum des Kreationismus. Er liegt in der wahlweisen Verwendung des Aktalitätsprinzips. Dieses Prinzip besagt, dass die Naturgesetze universell gelten. Ohne dieses Prinzip kann man Naturwissenschaften nicht betreiben. Nun kann man die Naturgesetze beispielsweise mit der buchstabengetreuen Auslegung der Sintflutgeschichte nicht in Einklang bringen. Also lehnen (die meisten) Kreationisten das Aktualitätsprinzip bei der Sintflut ab. Bei anderen wissenschaftlichen Überlegungen beruft man sich dann wieder auf dieses Prinzip - so wie man es gerade braucht. Das widerspricht aber jeder Wissenschaftlichkeit. Kreationisten argumentieren wie Kartenspieler, die die Spielregeln während des Spiels nach Belieben ändern.

Auch bei der Deutung der biblischen Schöpfungsgeschichte gehen die Kreationisten wankelmütig und inkonsequent vor. Gott hat ja bei der Erschaffung der Welt und der Lebewesen laut Bibel eine bestimmte Reihenfolge eingehalten. Nun lesen wir da, dass er die grünen Pflanzen am dritten Tag erschaffen hatte, die Sonne hingegen am vierten Tag. Es ergeben sich nun zwangsläufig die Fragen, wie lange die ersten drei Tage gedauert haben mögen, wenn es noch keine Sonne gab und welche Photosynthese in den Pflanzen ohne Sonne abgelaufen sei. Das alles deuten die Kreationisten auf ziemlich krude Weise: Gott hat eben erst am Schluss, als er fertig war mit der Schöpfung, die Naturgesetze erschaffen. Zuerst die Schöpfung, dann die Naturgesetze. Und wenn die Naturgesetze irgendwann nicht passen, werden sie außer Kraft gesetzt.
Aus diesen und anderen Gründen kann der Kreationismus keine Wissenschaft sein.

In einer zunehmend komplizierten und unüberschaubarer werdenden Welt suchen nicht wenige Menschen nach einfach zu verstehenden Lebensrezepten und Weltanschauungen. Dies zeigt sich unter anderen in der zunehmenden Bedeutung esoterischer Bewegungen. Der Kreationismus mit seinen schlichten Denkschemata bietet sich hier genauso an wie diverse politische Utopien und religiöse Sekten. Diese versuchen dem "Rassenfeind", dem "Klassenfeind", den "Kapitalisten", den "Globalisierern", "Satan" oder einfach nur den "Ausländern" die Schuld an allen möglichen Mißständen in die Schuhe zu schieben.

Auch die Kreationisten schrecken nicht vor Vereinfachungen zurück. An der Sittenverrohung, am Krieg, an den vielen Morden, an den Amokläufen in den Schulen, überhaupt an der Herrschaft des Satans über die Welt sind niemand anderer als "die Evolutionisten" schuld, deren zentrale Weltanschauung der Atheismus ist. Es ist daher kein Zufall, dass namhafte Kreationisten in den USA früher zu den glühendsten Verfechtern einer gigantischen Aufrüstung gegen den gottlosen und materialistischen Feind Sowjetunion zählten.

Der ehemalige Direktor des amerikanischen "Institute for Creation Research" Henry M. Morris sagte u.a.: "Die sogenannten geologischen Zeitalter sind im wesentlichen Synonyme zur evolutionären Theorie des Ursprungs. Dies aber stellt die Anti-Gott-Verschwörung des Satans selbst dar." (in Th. Jukes: "The Creationists challenge to science", Nature 308,398 [1984]). Ernest Wilder Smith schrieb in seinem Buch 'Grundlagen für eine neue Biologie' u.a.: "Der weitverbreitete Glaube in den heutigen biologischen Naturwissenschaften, dass Alogos (Chaos, Zufall) schöpferisch sei, hat jetzt schon verheerende Folgen gezeitigt: In der Kunst finden wir Chaos, Sinnlosigkeit, Alogos sehr stark ausgeprägt, als ob sie Symptome einer schöpferischen Tätigkeit seien. Picasso ist ein Beispiel dieser Richtung ... In der Musik finden wir den gleichen Trend. John Cage und seine 'musique concréte' sind Beispiele des Alogos in der musikalischen Kunst."

Was bleibt ist die Feststellung, dass der Kreationismus, den es nicht nur im christlichen Kulturkreis sondern auch im Islam und im orthodoxen Judentum (somit in allen drei Eingottreligionen) gibt, weder eine Religion noch eine Wissenschaft sondern eine philosophische Sackgasse ist.

Selbstverständlich werden in Europa weder die Lehrpläne für die Lehrerausbildung noch die Lehrpläne in den Schulen im Sinne der Kreationisten geändert. Es wird immer wieder Absichten in diese Richtung geben, aber Europa liegt - bei allen Schwächen - näher an der Tradition der Aufklärung. Die Gefahr einer Reform im Sinne kreationistischer Tendenzen ist in Europa - wenn überhaupt - nur lokal gegeben. Auch Wortmeldungen von Kirchenfürsten in Richtung "Intelligent Design" (eine modernere Variante des Kreationismus) hatten und haben auf den Biologieunterricht in den Schulen und die Lehre an den Universitäten (noch) keinen Einfluss.

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